Glycin und Kollagen verstehen - edubily GmbH
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Chris Michalk, ehemaliger Leistungssportler und Biologe mit Fokus auf Leistungsphysiologie, ist Co-Autor mehrerer Bücher und hat eine Leidenschaft für Angewandte Biochemie. Gemeinsam mit seinem Partner Phil ist er Geschäftsführer bei edubily.

Glycin. Über die kleinste Aminosäure könnte man ein eigenes Buch schreiben, so besonders ist sie. Sie gilt als einer der „building blocks of life“, denn man hat sie schon in Meteoriten nachgewiesen. Ein bisschen romantischer ausgedrückt könnte man sagen: Glycin findet man im Sternenstaub, aus dem wir bestehen :-)

Die süße kleine Aminosäure für große Aufgaben

Benannt hat man die Aminosäure nach dem griechischen Wort für „süß“, glykýs. Denn wer es schon ausprobiert hat: Glycin kann man sich als Zuckerersatz wunderbar in Getränke wie Kaffee oder Tee rühren. Auch wir benutzen in unseren Produkten oft Glycin (wir wollen unsere Kunden heimlich gesünder machen ;-), in unserem Citrullin-plus-Pulver spielt sie eine funktionelle Rolle, aber auch eine geschmacksgebende.

Für Glycin gilt die Redewendung, „klein aber oho“.

Die wohl wichtigste Aufgabe von Glycin im Körper ist, ihm Struktur, Festigkeit und Belastbarkeit zu verleihen. Denn unsere Strukturproteine („Kollagen“) bestehen zu 35 % aus Glycin.

Kollagene Eiweiße wiederum machen den Großteil des Körpereiweißes aus und finden sich dabei in

  • Knochen,
  • Zähnen,
  • Knorpeln,
  • Sehnen,
  • Bändern und der Haut.

Was viele nicht wissen: Auch die Struktur und Belastbarkeit unserer Arterien hängt vom Bindegewebe ab, das unsere Arterien formt.

Oft liegt im Kollagen die Partnerschaft mit der speziellen Aminosäure Hydroxyprolin vor.

Damit Kollagen die Belastbarkeit und Zugfestigkeit kriegt, die es braucht, haben sich hier zwei ideale Partner gefunden. Denn Hydroxyprolin sorgt für Windungen im langen Strang der Kollagen-Ketten – man spricht von „Helix“.

Durch diese Windungen „verschrauben“ sich immer drei Kollagen-Ketten zu sehr starken Kollagensträngen, die sich wiederum zu riesigen Kollagenfasern zusammenlagern.

Glycin macht diese Windungen überhaupt erst möglich, weil sie als kleinste Aminosäure perfekt in engen Stellen passt. 

Vom "Abfall" zum Superstar

Noch vor wenigen Jahren galt Kollagen-Hydrolysat und Gelatine – also Proteinpulver, die man aus kollagenen Eiweißen von Tieren gewinnt – als „Abfall“. Bestenfalls geeignet um Wackelpudding bzw. Götterspeise herzustellen. Aber einen Nutzen für normale Menschen und insbesondere Sportler?

„Natürlich nicht!“. Doch die Datenlage hat sich rasch geändert. Wir als edubily haben daher schon sehr früh über die Bedeutung von Glycin und Kollagen berichtet.

In erster Linie, weil Glycin an sich eine immense Bedeutung für den menschlichen Körper hat, und spätestens seit 2009 dank einer biochemischen Kalkulation klar ist, dass der menschliche Körper nicht ausreichende Mengen von Glycin selbst herstellen kann und wir viel mehr über die Nahrung zu uns nehmen müssen.

Glycin ist nicht nur Bestandteil von Strukturproteinen im Körper...

Glycin stimuliert "Wachstum" via mTOR

Doch das ist bei Weitem nicht alles. Es wurde nämlich in mittlerweile einigen Studien gezeigt, dass Glycin einen massiven Einfluss auf den Proteingehalt der Muskulatur hat, sprich, wie anabol (bzw. antikatabol) der Muskel ist:

  • Glycine enhances muscle protein mass associated with maintaining Akt-mTOR-FOXO1 signaling and suppressing TLR4 and NOD2 signaling in piglets challenged with LPS

  • Glycine Protects Muscle Cells From Wasting in vitro via mTORC1 Signaling

  • Glycine Regulates Protein Turnover by Activating Protein Kinase B/Mammalian Target of Rapamycin and by Inhibiting MuRF1 and Atrogin-1 Gene Expression in C2C12 Myoblasts

  • Glycine restores the anabolic response to leucine in a mouse model of acute inflammation

edubily-Leser wissen sofort Bescheid, wenn sie sowas lesen: Glycin aktiviert den Zellschalter mTOR, der generell „Wachstum“ einleitet.

Im Muskel heißt das dann „Aktivierung der Proteinsynthese“. Diese Effekte scheinen besonders bei Umständen zum Tragen zu kommen, wo der natürliche Anabolismus eingeschränkt ist, also z. B. bei Entzündungsprozessen im Körper, wie man sie mit zunehmendem Alter häufig findet.

Das „anabole Geheimnis“ findet man also möglicherweise eher nicht bei den bekannten „Muskel-Aminosäuren“ wie Leucin und Co., sondern simpel und banal bei Glycin. Das wäre eine ziemlich krasse Sensation. Doch das ist nicht alles.

Noch mehr Geheimnisse: Bioaktive Kollagen-Peptide

Es gibt ein weiteres Geheimnis, das nur von Gelatine bzw. Kollagen ausgeht. Denn in diesen Pulvern findet man bekanntlich ganze Proteine, nicht nur einzelne Aminosäuren.

Wie wir immer wieder sagen: Im Darm entsteht bei der Spaltung großer Nahrungsproteine kurzkettige Peptide, also Aminosäurenketten, die vom Darm über Peptidtransporter aufgenommen werden und selbst eine Wirkung haben. Man spricht von bioaktiven Peptiden.

Bei Kollagen-Hydrolysat wurden die Proteine bereits vorverdaut, daher „Hydrolysat“ – die großen Proteine der „Gelatine“ hat man sozusagen schon zerhäckselt.

Sie können vom Darm direkt aufgenommen werden oder werden von Verdauungsenzymen noch weiter zerkleinert. Das Beeindruckende dabei ist, dass diese bioaktiven Peptide offensichtlich nicht nur komplett zerlegt und dann zum Wiederaufbau verwendet werden, sondern die körpereigene Synthese direkt ankurbeln.

Die wichtigsten kurzen Aminosäurenketten, die bei der Verdauung von Kollagen entstehen und ins Blut übergehen sind Hydroxyprolin-Glycin (Hydroxyprolylglycin) und Prolin-Hydroxyprolin (Prolylhydroxyprolin), beides s. g. Dipeptide, weil sie aus zwei Aminosäuren zusammengesetzt sind.

Für Hydroxyprolylglycin konnte ein direkter anaboler Effekt auf die Muskulatur festgestellt werden.

Ähnliches wurde bezüglich Prolylhydroxyprolin 

Ferner wurde festgestellt, dass Kollagen-Peptide in Mausmodellen allergische Reaktionen unterdrückeneinen positiven Effekt auf die Funktion der Darmbarriere haben und antithrombotische Eigenschaften haben. Das dürfte nur ein Ausschnitt der vielfältigen Wirkweise sein.

Heißt also: Kollagen-Peptide haben eine allgemeine bioaktive Wirkung und kurbeln direkt die Bildung von körpereigenem Kollagen an. 

Es ist zu erwarten, dass Kollagen-Peptide in der Hinsicht besser wirken als Glycin alleine. Speziell mit Blick auf die Haut gibt es genau genommen so viele Arbeiten, dass man den Überblick verliert. Ein Review aus 2019 kommt zum Schluss:

Schlussfolgerungen und Relevanz: Vorläufige Ergebnisse sind vielversprechend für die kurz- und langfristige Anwendung von oralen Kollagenpräparaten zur Wundheilung und Hautalterung. Orale Kollagenpräparate erhöhen auch die Hautelastizität, die Hydratation und die dermale Kollagendichte. Die Kollagen-Supplementierung ist im Allgemeinen sicher und ohne berichtete unerwünschte Nebenwirkungen.

Wie man Kollagen zu sich nimmt

Es hat einen Grund, warum der Mensch glycin- und kollagenreiche Lebensmittel mag. Wir merken das meistens nur nicht: Die heimliche Lust auf Garnelen – der besondere, süßliche Geschmack kommt vom hohen Glycingehalt –, der Heißhunger auf Götterspeise (Wackelpudding),

Aspik-Wurst, früher die Hühnersuppe (komplett ausgekochtes Huhn) oder die knusprige Enten- bzw. Geflügelhaut.

Dieses heimliche Verlangen kommt nicht von Ungefähr – der Körper braucht einfach sehr viel kollagenes Eiweiß, damit er selbst ausreichende Mengen kollagenes Eiweiß herstellen kann.

Zu guter Letzt die Frage, was ein gutes Glycin- bzw. Kollagen-Hydrolysat-Produkt auszeichnet.

Bei Glycin ist die Antwort einfach: Im Pulver sollte nur reines Glycin enthalten sein. Wenn es süßlich schmeckt ist es Glycin. Hier kann man nicht viel falsch machen.

Weil es immer wieder gefragt wird: Wie viele andere Aminosäuren auch, wird Glycin aus mikrobieller Fermentation gewonnen. Beim Kollagen-Hydrolysat ist es mit Blick auf die Qualität ein bisschen anders.

Da wir uns berufsbedingt ;-) ein bisschen mit dem Thema befassen, haben wir in den vergangen Jahren natürlich viel Erfahrung mit kollagenen Proteinen sammeln können.

Die wichtigsten Eigenschaften des besten Kollagen-Hydrolysats sind folgende:

  • Natürlich: Es sollte möglichst von zertifizierter Weidehaltung kommen. Viele Anbieter belügen diesbezüglich ihre Kunden. Immer nach dem Zertifikat für die Weidehaltung fragen!

  • Das Produkt hat einen relativ neutralen Geschmack und Geruch. Das ist nicht selbstverständlich. Manche Kollagen-Präparate riechen wie eine Mülltonne.

  • Das Produkt sollte sich gut und einfach in Wasser lösen lassen und eine möglichst klare Lösung ergeben.

  • Niedrige Viskosität: Es sollte keine Fäden ziehen oder zähflüssig sein.

  • Je niedriger das Molekulargewicht der Peptide, umso intensiver war Vorverdauung und umso zügiger werden die Peptide im Darm aufgenommen.

Ganz besonders findige und raffinierte Hersteller setzen ihrem Pulver noch eine Mikronährstoff-Matrix zu. Dazu zählen beispielsweise:

  • Zink, weil es die Proteinsynthese im Allgemeinen ankurbelt.

  • Kupfer, weil es Kofaktor des Enzyms Lysyloxidase ist und für die Quervernetzung der Kollagenstränge sorgt und dadurch maßgeblich die Stabilität beeinflusst.

  • Vitamin C, weil es ein wichtiger Kofaktor für die „Hydroxylierung“ der Aminosäuren Prolin und Lysin im Kollagen ist und dadurch die Stukturgebung überhaupt erst ermöglicht.

  • Mangan, weil es Kofaktor des Enzyms Prolidase ist, das für die Integrität des Kollagens sorgt – denn Kollagen muss ständig und zielgerichtet auf- und abgebaut werden.

  • Kieselsäure, da es Silizium enthält, das wie Dünger auf die Kollagenbildung wirkt. Das liegt u. a. daran, dass es als integraler Bestandteil des Bindegewebes ebendort in Form von Glykoproteinen und s. g. Glykosaminoglykanen – Chondroitin, Hyaluronsäure etc. – vorkommt.

Das ist die Geschichte zu Glycin und Kollagen-Hydrolysat.

Verwendete Quellen und Studien

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