Das Lebensmittel Milch
Kurze Geschichte des Milchkonsums
Vor circa 10.000 Jahren gaben unsere Vorfahren ihr Jäger- und Sammler-Dasein allmählich auf und wurden sesshaft. Sie begannen, Pflanzen anzubauen und Tiere zu halten. Dadurch standen plötzlich neue Lebensmittel wie Süßgräser (Getreide) und auch Milch auf dem Speiseplan – wenn auch in sehr kleinen Mengen (Q).
In Regionen, in denen landwirtschaftliche Kulturen schwer zu etablieren oder anfällig für Umwelteinflüsse waren, spielte Milch eine wichtige Rolle in der Ernährung und half, die Energieversorgung sicherzustellen (Q).
Mit der Zeit entwickelten sich diverse Milchprodukte, wie Kefir, Joghurt oder Käse. Diese entstanden vermutlich durch spontane Fermentation mittels Milchsäurebakterien und Hefen, die überall in der Umwelt vorkommen und so in die Milch gelangt sind.
Im Zeitalter der Industrialisierung veränderte sich der Milchkonsum bzw. die Verarbeitung von Milch stark. Mit zunehmender Bevölkerungsdichte in den Städten und der Verlängerung der Versorgungsketten vom Land in die Stadt kam es zu Problemen mit Keimen in der Rohmilch.
Moderne Verarbeitung von Milch
Um der Verbreitung von gefährlichen Keimen ein Ende zu setzen, wurde im 20. Jahrhundert die vom Chemiker und Mikrobiologen Louis Pasteur erfundene Pasteurisierung eingeführt.
Dabei wird die Milch für einige Sekunden erhitzt und sofort wieder abgekühlt. Die Temperatur bleibt bei der traditionellen Pasteurisierung unter 100 °C (typischerweise 72–75 °C). Die Milchproteine bleiben bei dieser Methode größtenteils (zu über 93 %) intakt (Q, Q)
Pasteurisierte Frischmilch enthält immer noch lebende Bakterien und ist 7-10 Tage haltbar. Man findet diese Milch daher in der Kühltheke. Milch, die im Kühlregal mit "länger haltbar" gekennzeichnet ist, wurde sehr kurz bei 85-127 °C erhitzt und ist dadurch noch etwa zwei Wochen länger haltbar
Um alle Keime zu töten und die Haltbarkeit auf bis zu 3 Monate zu verlängern, setzt man die Ultrahocherhitzung ein. Dabei werden Temperaturen von 135-150 °C erreicht, was alle Bakterien abtötet.
Auch die Milchproteine in dieser sterilisierten Milch sind denaturiert, also nicht mehr in ihrer ursprünglichen Struktur, was zu dem veränderten Geschmack der H-Milch gegenüber Frisch- oder Rohmilch führt (Q).
Meist wird Milch auch noch homogenisiert. Bei diesem Verfahren wird die Milch unter hohem Druck durch eine Düse gepresst, um die Fettkügelchen zu zerkleinern und somit die Bildung einer Rahmschicht auf der Milch zu verhindern.
Die Bestandteile von Milch
Milch besteht hauptsächlich aus Wasser, Fett, Proteinen, Kohlenhydraten und Mineralstoffen. Darüber hinaus sind in geringen Konzentrationen Vitamine, Enzyme, bioaktive Peptide, Zytokine, Hormone und auch miRNAs enthalten.
Milchproteine
Den Großteil des Milchproteins machen mit knapp 80 % die Caseine aus, während das Molkeprotein (Whey) auf nur rund 20 % kommt. Die Caseine lassen sich wiederum nochmal in fünf Typen einteilen: αs1, αs2, β, γ und κ.
Und auch beim Whey unterscheidet man nochmals verschiedene Typen, wobei β-Lactoglobulin mit 50 % den größten Anteil ausmacht. Auch das als Immunbooster und Eisentransporter bekannte Lactoferrin gehört zu den Whey-Proteinen.
Diese Unterscheidung der Proteine ist u.a. bei der Verträglichkeit und im Kontext von Allergien wichtig, wozu wir später noch kommen werden.
Milchproteine haben eine hohe biologische Wertigkeit und enthalten alle essentiellen Aminosäuren, davon besonders viele verzweigtkettige Aminosäuren (BCAAs).
Milchfette
Auch Fette sind wichtiger Bestandteil von Milch: Über 400 Fettsäuren wurden identifiziert, darunter gesättigte (68,8 %, z. B. Palmitinsäure), einfach ungesättigte (27,3 %, z. B. Ölsäure) und mehrfach ungesättigte (3,97 %, z. B. Linolsäure).
Kohlenhydrate in Milch
Der wohl bekannteste Zweifachzucker in der Milch ist die Laktose, die mit ca. 95 % den Hauptteil der Kohlenhydrate ausmacht. In geringeren Mengen sind auch freie Glucose und Galaktose sowie weitere Kohlenhydrate als Oligosaccharide (Mehrfachzucker) enthalten.
Das sind die Benefits von Milchprodukten
Reiche Calcium- und Vitamin-K2-Quelle
Milch macht starke Knochen – hinter dieser alten Weisheit steckt viel Wahres. Das enthaltene Calcium und Vitamin K2 sind beide unverzichtbar für die Knochengesundheit.
Vitamin K2, ein fettlösliches Vitamin, findet man vor allem in fettreichen Milchprodukten wie Vollmilch, und noch mehr in den daraus hergestellten Produkten wie Weichkäse, Blauschimmelkäse, Schnittkäse und Hartkäse (Q). Dieses Vitamin fördert die Knochenmineralisierung unter anderem durch die Hemmung der knochenabbauenden Zellen, den sogenannten Osteoklasten. Zudem aktiviert Vitamin K2 das Protein Osteocalcin, das dafür sorgt, dass Calcium in die Knochen eingelagert wird.
Dieses Calcium liefern Milchprodukte praktischerweise gleich mit. In 100 ml Kuhmilch finden sich rund 125 mg Calcium, in Skyr sind es schon 150 mg pro 100 g. Die höchste Calciumkonzentration weist jedoch Käse auf: Spitzenreiter sind Gouda mit 800 mg/100 g und Hartkäse wie Parmesan mit bis zu 1300 mg/100 g.
Doch Calcium hat im Körper noch so viel mehr Funktionen als nur die Bildung von Knochen und Zähnen. Jede einzelne Muskelkontraktion, die wir ausführen, benötigt Calcium. Auch die Weiterleitung von Nervensignalen ist auf Calcium als Ladungsträger angewiesen. Ebenfalls hängen die Zellteilung, die Blutgerinnung, die Funktion der Verdauungsenzyme sowie der Energiestoffwechsel von Calcium ab.
Wie gut Calcium aus Milchprodukten die Fettverbrennung ankurbeln kann, zeigt der Calcium-Wissenschaftler Michael Zemel in zahlreichen Tier- und Humanstudien.
Beispielsweise verloren Übergewichtige, die eine calciumreiche Diät machten, 26 % mehr Körperfett als die Übergewichtigen unter einer Standard-Diät. In der dritten Gruppe, bei der die Diät reich an Milchprodukten war, verloren die Probanden sogar 70 % mehr Fett als bei der normalen Diät (Q).
Man kann also festhalten, dass Calcium in der Diät eine stark positive Wirkung auf den Körperfettanteil hat, während Milchprodukte diesen Effekt zusätzlich verstärken.
Milch enthält bioaktive Peptide und wertvolle Fettsäuren
Peptide sind kleine Proteinfragmente, die aus mehreren Aminosäuren bestehen. Sie entstehen aus den Milchproteinen Casein und Whey entweder bei der Verarbeitung von Milch zu Käse und Joghurt oder direkt im Körper durch Verdauungsenzyme und Darmbakterien.
Diesen kleinen Proteinschnipseln werden vielfältige, durch Studien belegte Effekte zugeschrieben. So wirken sie zum Beispiel antithrombotisch, antientzündlich, antioxidativ, antimikrobiell und können sogar den Blutdruck senken (Q, Q).
Gewisse Peptide aus Käse wie Parmesan, Edamer und Gouda können sogar das Immunsystem modulieren. Indem sie Immunzellen wie Makrophagen stimulieren oder auch die T- und B-Zell-vermittelte Reaktion auf Pathogene verstärken, erhöhen sie die körpereigene Abwehr (Q).

Abbildung 1: Bioaktive Peptide aus Milchprodukten und ihre vielseitigen Funktionen (adaptiert nach Q).
Ein weiterer wertvoller Bestandteil von Milchprodukten sind die konjugierten Linolsäuren, kurz CLA, die zu den Transfettsäuren gehören. Aber keine Sorge, im Gegensatz zu den meisten Transfetten haben CLA sehr vorteilhafte Eigenschaften für die Gesundheit. Studien zeigen, dass sie dabei helfen könnte, das Risiko für Krebs, Übergewicht, Diabetes und Bluthochdruck zu senken (Q).
Quelle für Probiotika
Fermentierte Milchprodukte wie Joghurt oder Kefir sind reich an lebenden, gesundheitsförderlichen Bakterien (Probiotika). Probiotika können u. a. das Immunsystem, die Darmgesundheit und die Verdauung unterstützen, indem sie das Mikrobiom im Darm modulieren.
Studien konnten sogar beobachten, dass ein höherer Joghurtkonsum mit einem geringeren Risiko für Darmkrebs in Zusammenhang steht (Q). Auch Kefir zeigt gesundheitsförderliche Effekte, wie zum Beispiel eine Reduzierung des Langzeitblutzuckerwerts (HbA1c) und der Nüchternglukose im Blut (Q).
Fermentierte Milchprodukte enthalten übrigens weniger Laktose, da diese von den Bakterien abgebaut wird. Dadurch sind Joghurt und Co. auch oft gut bei (milder) Laktoseintoleranz verträglich.
Milch liefert bioverfügbares Protein
Milchproteine sind mit das Hochwertigste, was wir an Proteinen in der Nahrung und als Lebensmittel haben. Protein ist die evolutive Goldwährung: Wer sich gut fühlen will, braucht hochwertiges Eiweiß, und vor allem genug davon. Genau das liefern Milchprodukte. Einen besonders hohen Proteingehalt haben:
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Harzer Käse: ~30 g Protein/100 g
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Parmesan: ~28-32 g Protein/100 g
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Magerquark: ~12–14 g / 100 g
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Skyr: ~10–12 g / 100 g
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Hüttenkäse: ~10–12 g / 100 g
Milchprodukte punkten nicht nur durch einen hohen Proteingehalt, sondern auch eine besonders hohe biologische Wertigkeit. Sie enthalten alle 9 essentiellen Aminosäuren und sind besonders reich an Leucin, dem wichtigsten Trigger für die Muskelproteinsynthese (mTOR-Aktivierung). Molkeprotein (Whey) hat mit 104-110 die höchste biologische Wertigkeit. Den Referenzwert hierfür bildet das Hühnerei mit einer biologischen Wertigkeit von 100. Milchproteine sind insgesamt hochwertiger als Proteine aus Fleisch oder aus Pflanzen wie Soja oder Erbsen, da sie besser verwertet werden können. Pflanzliche Eiweiße (außer Soja) sind zudem häufig in einzelnen essentiellen Aminosäuren begrenzt und müssen für eine optimale Proteinversorgung gezielt kombiniert werden
Sind Milchprodukte ungesund? Potenzielle Nachteile von Milch
Milch und Milchprodukte sind per se weder gesund noch ungesund. Neben den genannten vorteilhaften Inhaltsstoffen und Eigenschaften gibt es jedoch auch einige Aspekte, die sich bei manchen Menschen oder in gewissen Situationen nachteilig auf die Gesundheit auswirken können.
Kuhmilch ist von Natur aus darauf ausgelegt, das schnelle Wachstum eines Kalbs zu fördern. Dabei hemmt sie unter anderem via Wachstumsfaktoren und miRNAs (micro-RNAs) den Zellschalter AMPK, der mit verschiedenen „Langlebigkeitseffekten“ bzw. abbauenden (katabolen) Vorgängen in Verbindung gebracht wird. Ob Wachstum förderlich oder eher nachteilig ist, hängt vom jeweiligen Kontext ab: In manchen Situationen – etwa in der Regeneration oder im Aufbau – kann es wünschenswert sein, während in anderen Phasen Prozesse wie Energieeinsparung, Reparatur und Zellschutz im Vordergrund stehen. Auch die individuelle Stoffwechsellage und Genetik spielen dabei mit rein.
Auch ist die Verträglichkeit von Milch bei einigen Menschen ein Problem – meist liegt das an Laktoseintoleranz oder einer Milchallergie.
Bei der Laktoseintoleranz fehlt das Enzym Laktase, wodurch Milchzucker unverdaut in den Darm gelangt und dort Beschwerden wie Blähungen oder Durchfall verursacht. Es handelt sich um eine Verdauungsstörung, nicht um eine Allergie.
Die Kuhmilchallergie hingegen ist eine Immunreaktion auf Milcheiweiß, die oft bei Kindern auftritt. Symptome sind z. B. Hautausschläge oder Atemprobleme – schon kleine Mengen Milch können reichen. Häufige Auslöser sind die Milchproteine β-Lactoglobulin, αs1-Casein und α-Lactalbumin.
Fazit
Milch ist ein komplexes, nährstoffreiches Lebensmittel mit langer Tradition und vielfältigen gesundheitlichen Vorteilen – von hochwertigem Eiweiß über bioaktive Peptide bis hin zu probiotischen Kulturen in fermentierten Produkten. Gleichzeitig ist sie aber kein universeller Gesundheitsgarant: Ihre Wirkung hängt stark von Verarbeitung, Menge, individueller Verträglichkeit und Stoffwechsellage ab. Für manche Menschen kann Milch problematisch sein – für andere ein wertvoller Bestandteil einer ausgewogenen Ernährung. Entscheidend ist also wie so oft der individuelle Kontext.